Einmal um die Welt reisen, «Travel & Fun» geniessen und danach wieder weitermachen wie vorher? Nicht so bei Melanie Dürschner und ihrem Partner Martin Huneck. Die beiden haben die Reise genutzt, um ihr neues Leben zu prototypen. Die durch reale Experimente überprüften Annahmen haben die beiden ermutigt, ihr eigenes Beratungsunternehmen zu gründen. Dieses besteht nun seit fünf Jahren erfolgreich am Markt. Und Melanie Dürschner und ihr Partner leben ihren Traum vom selbstbestimmten Leben.
Interview: Claudia Scherrer
Kontakt und weitere Informationen: melanie.duerschner@leitmotif.digital

Liebe Melanie, vor sieben Jahren hast du deinen Job und deine Wohnung gekündigt, um mit deinem Partner eine Weltreise zu machen. Was hat dich dazu bewogen?
Wir standen damals beide an einer Weggabelung in unserer beruflichen und privaten Entwicklung. Wir wollten raus aus dem Hamsterrad, mehr Selbstbestimmung und die Frage beantworten, was wir vom Leben wollen – beruflich und privat.
Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Jobs und Wohnung zu kündigen. Wir brauchten diesen Freiraum ohne alte Fussfesseln, die einen vielleicht von etwas zurückhalten. Der Moment, als wir im Einwohnermeldeamt den Wohnsitz aus unseren Ausweisen austragen liessen und da dann stand «ohne Wohnsitz», war schon spannend. Aber er hat viel bewegt und diesen Schritt nochmals unterstrichen.
Wie waren die Reaktionen von eurem Umfeld auf diesen Schritt?
Uns wurde häufig Skepsis und Unverständnis entgegengebracht, gepaart mit Fragen wie: Habt Ihr Euch das wirklich gut überlegt? Warum nicht einfach ein Sabbatical oder ein paar Monate Auszeit, dann habt Ihr wenigstens noch einen Job und eine Wohnung, wenn Ihr zurückkommt? Wie könnt Ihr diese Sicherheit aufgeben? Was ist, wenn Ihr keine Wohnung oder keinen Job mehr bekommt nach Eurer Rückkehr?
Natürlich gab es auch bekräftigende und ermutigende Reaktionen, aber diese waren eher selten. Man hat gemerkt, dass dieser Schritt nicht in das typische Bild passt, das man von jemandem hat, der studiert hat und gerade die Karriereleiter erklimmt.
Die meisten Weltreisenden kehren nach wenigen Monaten «Travel & Fun» wieder in ihr altes Leben zurück und machen dann genauso weiter wie vorher. Ihr hingegen wart zwei Jahre unterwegs und habt auf der Reise die Basis für euer später gegründetes Unternehmen geschaffen. Wie kam es dazu?
Wir haben das auch erlebt, dass «Travel & Fun» das klassische Bild ist, das man von Weltreisenden hat. Uns wurde ganz oft, wenn wir Kontakt in die Heimat hatten, noch ein schöner Urlaub gewünscht. Das war sehr witzig.
Unsere Intention der Reise war aber eine andere. Wir wollten herausfinden, was wir (anders) machen können, damit unser Leben für uns persönlich noch toller wird.
Über diesen Prozess kamen wir auf die Idee: Mensch, können wir nicht unsere bereits vorhandenen Skills & Capabilities nutzen, um daraus ein Unternehmen zu gründen und dadurch unser Leben selbstbestimmt und aktiv zu gestalten, statt es von anderen gestalten zu lassen?
Die Selbstbestimmung ist also ein wichtiger Punkt, der für euch individuell ein gutes Leben ausmacht?
Absolut! Entscheidend dabei ist für uns das «aktiv machen können». Wir können immer noch durch die Welt reisen und remote arbeiten, aber wir haben jetzt – sehr klassisch eigentlich – eine Wohnung, machen unsere Projekte und haben ein Kind. Das ist jetzt in diesem Moment aktiv gewählt und nicht von aussen auferlegt. Es ist einfach schön, so selbstbestimmt zu sein.
Wie du gesagt hast, habt ihr auf der Reise angefangen erste Projekte zu machen (remote – im Jahre 2015 notabene!). Wie seid ihr zu eurem ersten Projekt gekommen?
Im ersten Schritt haben wir unser eigenes berufliches Netzwerk angezapft und geschaut, ob jemand Unterstützung braucht in den Bereichen, wo wir Kompetenz haben. So kam es dann, dass wir kleine Projekte komplett remote gemacht haben, tatsächlich mit dem Laptop am Strand.
Es war für uns eine gute Möglichkeit, es mal zu testen und in einem ungezwungenen Umfeld herauszufinden, ob wir ankommen oder nicht und ob wir das überhaupt möchten. Uns war unklar, ob wir dem Druck standhalten wollen, plötzlich auf sich selbst gestellt zu sein, und ob uns das überhaupt Spass macht. Das war schon eine Experimentierphase.
Es war für uns eine gute Möglichkeit, es mal zu testen und in einem ungezwungenen Umfeld herauszufinden, ob wir ankommen oder nicht und ob wir das überhaupt möchten.
Aus meiner Sicht ist das ein perfektes Beispiel für ein «Experience Prototype». Mit geringem Risiko habt ihr getestet, wie es ist, selbständig Beratungsprojekte abzuwickeln. Was war das coolste Erlebnis und was war das uncoolste Erlebnis während dieser Experimentierphase?
Das Coolste war schon, dass wir gemerkt haben, dass wir von unseren Projekten unsere Reise finanzieren können, ohne unsere Ersparnisse anzugreifen.
Das uncoolste Erlebnis? Das kann ich ehrlich gesagt nur schwer sagen, weil wir durch die Reise – das klingt vielleicht ein bisschen romantisierend, ist aber tatsächlich so – gelernt haben, auch aus herausfordernden und vermeintlich negativen Situationen etwas Wertvolles mitzunehmen.
Damit sprichst du ein wichtiges Work Life Design Prinzip an, nämlich die wachstumsorientierte Haltung («Growth Mindset»). Menschen mit einer wachstumsorientierten Haltung sehen Herausforderungen nicht als Gefahr für ein mögliches Scheitern, sondern als Sprungbrett für die Erweiterung der eigenen Fähigkeiten. Diese Haltung hilft enorm, mit Schwierigkeiten umzugehen und die eigene berufliche und persönliche Zukunft erfüllend zu gestalten.
Genau das ist, was wir unbewusst auch als Intention der Reise hatten. Wir haben bewusst Dinge ausprobiert, die wir vorher so noch nicht gemacht hatten. Wir wollten es probieren, weil mehr als schief gehen kann es nicht. Ein grosser Vorteil war, dass wir zu zweit waren und so immer einen Sparring-Partner hatten. Das hat Vieles einfacher gemacht. Etwas Neues zu wagen und festzustellen, dass wir daran wachsen, egal in welche Richtung, das war eine wichtige Erkenntnis, die wir mitgenommen haben.
Nach den zwei Jahren seid ihr nach Deutschland zurückgekehrt und habt LEITMOTIF DIGITAL gegründet. Wie wahrscheinlich ist es aus deiner heutigen Sicht, dass ihr euer Unternehmen ohne die während der Reise gemachten Erfahrungen gegründet hättet?
Sehr unwahrscheinlich. Es war notwendig für uns beide die gewohnten Strukturen aufzubrechen und die Komfortzone zu verlassen. Sonst hätten wir diesen Schritt vermutlich nie gewagt. Es war wichtig, die Erfahrung zu machen, dass es irgendwie eben immer weiter geht. Dieses Urvertrauen ermutigt uns auch heute immer wieder, neue Dinge zu wagen und uns beruflich auszuprobieren.
Das leuchtet mir ein. Ihr habt eure Entscheidung nicht basierend auf Annahmen, sondern real erlebten Experimenten getroffen. Dies erleichtert es enorm, den Mut fürs tatsächliche Handeln aufzubringen.
Genau. Ausserdem war es wichtig, dass wir das gemeinsam gemacht haben. Man braucht auf so einem Weg mindestens einen Verbündeten, der einem in schwierigen Situationen gut zuredet und einen begleitet.
Mit eurem Beratungsunternehmen LEITMOTIF DIGITAL helft ihr Unternehmen dabei, neue Produkte und Services für das digitale Zeitalter zu entwickeln. Inwiefern profitieren eure Kunden von euren Erfahrungen auf der Reise?
Das mag jetzt nach miserablem Marketing klingen (grinst), aber ich denke unsere Kunden profitieren tatsächlich am meisten von unserem Mindset, von unserer Haltung und Einstellung. Alle unsere Kunden sind selbst mit Wandel konfrontiert. Da hilft es enorm, dass wir wissen, was es bedeutet grosse Veränderungen zu wagen und mit Wandel umzugehen.
Unsere Kunden profitieren am meisten von unserem Mindset. Wir wissen, was es bedeutet, grosse Veränderungen zu wagen und mit Wandel umzugehen.
Vielen Dank, liebe Melanie, für das inspirierende Work Life Design Gespräch. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg, beruflich wie auch privat. Es war mir eine Ehre, meine Interviewreihe mit dir zu starten.